Per RadltaxI unterwegs im Oberland

Nutzt die Elektromobilität für sein Fahrrad-Taxi: Wolfgang Wirkert am Wolfratshauser BahnhofCarina Sappl

Nutzt E-Mobilität für sein Fahrrad-Taxi: Wolfgang Wirkert am Wolfratshauser Bahnhof © Foto und Text: Carina Sappl

An der Endstation der S7 in Wolfratshausen gehört er inzwischen fest zum Bahnhofsbild, ein drahtiger, braun gebrannter Mann, meist mit Sonnenbrille und charakteristischer, nicht alltäglicher Kappe. Seine silbergraue Rikscha ist zwar kleiner als gewöhnliche Taxis, sticht aber – den Blicken der Passanten nach zu urteilen – mehr ins Auge.

Wenn Wolfgang Wirkert nicht am Bahnhof der Flößerstadt auf Fahrgäste wartet, dann ist vielleicht gerade Freitag, und er fährt Besucher vom Grünen Markt in der Altstadt nach Hause. Oder es ist Donnerstag, dann tut er das Gleiche, aber am Wochenmarkt in Starnberg. Oder er ist mit seinem elektrisch unterstützten Isar-Loisach-Radl-Taxi gerade irgendwo im Oberland unterwegs. Sein Standard-Einzugsgebiet erstreckt sich, abgesehen von Starnberg an Donnerstagen, von Wolfratshausen über Geretsried und Eurasburg bis hin zu den Königsdorfer Almen, zum Bibisee und in die Pupplinger Au.

 

Umweltfreundliche Alternative

Zur Stammkundschaft des Isar-Loisach-Radl-Taxis gehören vor allem Senioren, die es als umweltfreundliche Alternative zum Auto nutzen. Ob Arztfahrten oder Einkaufstouren: Wolfgang Wirkerts Rikscha hat sich als sehr alltagstauglich erwiesen. Wenn größere Mengen eingekauft werden sollen, erweitert er seinen Laderaum mit einem Anhänger. Mit dem lässt sich auch ein Rollator oder ein Rollstuhl transportieren.

Ansonsten wird das Isar-Loisach-Radl-Taxi vor allem bei gutem Wetter von Ausflüglern gut angenommen. Vom Bahnhof aus lassen sie sich zum Beispiel zum Märchenwald in Farchet oder in die Pupplinger Au kutschieren. Zwei Erwachsene oder drei Jugendliche finden bequem in der Rikscha Platz, und in den Anhänger passt sogar ein Schlauchboot.

 

Neuanfang mit dem Radl-Taxi

Inspiriert von diversen Asien-Urlauben, begann Wolfgang Wirkert, bei Rikscha-Fahrern in München und Nürnberg Erkundigungen einzuholen. »Eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Taxis, das war es, was ich anbieten wollte «, erinnert er sich. Auf dem Weg dorthin war der nächste Schritt die Wahl eines passenden Fahrzeuges. »In Deutschland gibt es mehrere Rikscha-Hersteller«, erinnert sich Wolfgang Wirkert an seinen Neuanfang. Der Fachlagerist wagte diesen Schritt nicht zuletzt, weil ihm sein damaliger Arbeitsplatz verletzungsbedingt gekündigt worden war.

Letztlich hat er sich für ein Modell von TRIROTA entschieden, aus verschiedenen Gründen. Diese Rikscha war von allen die schmalste. »Mein Radl-Taxi ist nur einen Meter breit, was mir bei den Radwegen hier in der Gegend sehr entgegen kommt.«

Ein weiterer Pluspunkt war, dass dieses Modell keine reine Fahrradbereifung hat, sie geht vielmehr eher in Richtung Mofa. Das ist vor allem bei viel Gepäck von Vorteil, da müssen die Reifen schon was aushalten: »Das zulässige Gesamtgewicht meines Radl-Taxis beträgt 250 Kilogramm.« Die TRIROTA-Rikscha bildete die Basis für das Isar-Loisach-Radl-Taxi, aber bis ihr Fahrer zufrieden war, standen noch einige Umbauten bevor. Wolfgang Wirkert ergänzte das Gefährt zum Beispiel um eine Lichtanlage. Heute verfügt das Fahrzeug nicht nur über Scheinwerfer und Blinker, sondern auch über eine LED-Beleuchtung in der Fahrgastkabine und eine Musikanlage.

Außerdem machen Schutzbleche das Fahren für Wirkert angenehmer. Auch das variable und bei Bedarf komplett verschließbare Dach hat er noch dazu gebaut. Und der Anhänger war, als er ihn bekam, eigentlich alt und reif für den Schrott. Weil er Wolfgang Wirkert aber so gut gefiel, richtete er ihn Rikscha- und TÜV-gerecht wieder her.

 

Bis zu 100 Kilometer pro Tag

»Den Motor habe ich mit vernünftigen Akkus aufgerüstet«, ergänzt er. »Mit den mitgelieferten wäre ich nicht weit gekommen, heute habe ich immer drei Akkus dabei. Die elektrische Unterstützung kann ich auf zwei Stufen einstellen: 200 oder 250 Watt. So schaffe ich am Tag um die 100 Kilometer.«

Seine Fahrgäste sind während der Fahrt mit einer Insassenhaftpflicht versichert, wie in herkömmlichen Taxis auch. Einen Personenbeförderungsschein brauchen Rikscha-Fahrer nicht, aber als ehemaliger Auto-Taxi-Fahrer hat Wolfgang Wirkert trotzdem einen. Die Rikscha geht alle drei Jahre zum TÜV. Preislich liegt das Radl-Taxi etwas über herkömmlichen Taxis. »Das bezahlen die Leute aber meistens gern«, berichtet Wirkert, »aus Umweltschutz-Gründen und, weil eine Fahrt mit mir irgendwie immer Ausflugscharakter hat.« Abgerechnet wird entweder nach Strecke oder nach Zeit.

Besucher der Wochenmärkte in Wolfratshausen oder Starnberg fahren kostenlos, denn an diesen Tagen wird das Fahrrad-Taxi pauschal von der jeweiligen Stadt und in Wolfratshausen zu 50 Prozent vom Werbekreis Einkaufsstadt Wolfratshausen e.V. bezahlt.

 

»Der arme Kerl da vorn«

Probleme bereiten dem Gespann neben Platzmangel auf Straßen und Radwegen eigentlich nur steile Berge. Und manchmal Hemmungen der Menschen, das Radl-Taxi zu nutzen. »Wer mit mir fährt, der wird zumindest bei offenem Verdeck halt auch gesehen, und das mögen manche nicht«, berichtet Wolfgang Wirkert. Und mit einem Lächeln fügt er hinzu: »Außerdem wollen viele nicht, dass sich ‚der arme Kerl da vorne abstrampeln muss‘, während sie hinten gemütlich sitzen. Aber ich habe ja elektrische Unterstützung, und ich hab mir das selber ausgesucht.«

Prinzipiell werde das Isar-Loisach-Radl-Taxi aber gut angenommen, berichtet Wirkert. Sehr zu seiner Freude steigt vor allem die Zahl der Stammkunden stetig. Sein skurrilstes Fahrerlebnis? »Einmal hat jemand angerufen und gefragt, ob ich auch einen Umzug fahren würde – von der Copserei in Degerndorf ins Kloster Schäftlarn, er hätte auch nicht viele Sachen. Erst hatte ich Bedenken wegen der Strecke, aber eigentlich ging es ja nur bergab. Die Rikscha hat sich letztlich sehr tapfer geschlagen.« Vier Umzugskartons, ein Seesack und eine Matratze fanden damals in seinem Fahrzeug Platz.

 

Anfahrt im Anhänger

Wenn das Wolfratshauser Radl-Taxi – zum Beispiel für Hochzeiten, Geburtstage oder sonstige Events – an höher gelegenen oder weiter entfernten Orten gebraucht wird, packt Wolfgang Wirkert seine Rikscha für die Anfahrt in einen Autoanhänger. So macht er es auch in den einzigen zweieinhalb Wochen im Jahr, in denen er und sein Fahrzeug außerhalb ihres Stammgebietes aktiv sind: Für die Dauer der Wiesn fährt das Isar-Loisach-Radl-Taxi in München. Carina Sappl